JAGD UND WALD
Des Hobbys Kosten für uns alle
Die quantifizierten wirtschaftlichen Schäden der Waldwirtschaft durch Schalenwild ohne Wildschweine lagen schon 1990 bei über zwei Milliarden DM pro Jahr. Allein der Aufwand für Schutzmaßnahmen für jungen Wald beträgt einige hundert Millionen Mark. Dabei trägt den allergrößten Teil dieses Aufwandes nicht etwa die Jägerschaft, sondern die Staatskasse, also der Steuerzahler.
Wie ungeheuerlich sich diese Dinge entwickelt haben, sollen sechs Beispiele zeigen:
1. Der Oberste Bayerische Rechnungshof hat überhöhte Wildschäden in seinen Jahresgutachten seit 1968 regelmäßig und mit zunehmendem Nachdruck gerügt. Im Jahr 1993 stellte er dann an hervorgehobener Stelle beispielhaft fest, daß allein in Bayerns Wäldern Zäune zum Schutz der Waldverjüngung gebaut werden mussten, deren Länge der Strecke München-Peking entspricht.
2. 1994 legte das Wasserwirtschaftsamt Traunstein, das für den Lawinenschutz in den Berchtesgadener Alpen zuständig ist, eine Studie vor, die aufzeigte, dass in besonderen Schutzwaldlagen die Verhältnisse zur teuren Groteske geworden sind. Am Schutzwald in der Weißwand (3000 ha) entsteht durch Schalenwildverbiss jährlich ein erfassbarer Schaden von 25 Mio. DM oder 8500,- DM pro Hektar. Dies gibt die Möglichkeit, die Kosten für ein Gamsgehörn oder ein Hirschgeweih abzuschätzen, dessen Träger in einem solchen Gebiet lebte. Ein solches Stück Zimmerdekoration (alte Gämse oder starker Hirsch) hat den Steuerzahler über 1.000.000 DM gekostet. Gleichzeitig stieg die Gefährdung von Anwohnern und Passanten im Tal trotz Sanierungsbemühungen an, denn die Funktion eines intakten Schutzwaldes ist durch nichts zu ersetzen.
3. Obwohl die Rechtslage für den gesunden Menschenverstand völlig klar zu sein scheint, und obwohl das Oberlandesgericht Koblenz bereits 1983 das Land Rheinland Pfalz (Ministerpräsident: Bernhard Vogel CDU) wegen der Duldung von Wildschäden "in einem nicht mehr tragbaren Außmaß" rechtskräftig zur Zahlung von mehr als 3 Mio. DM Schadensersatz verurteilte, funktioniert die Entschädigung für die Eigentumsverluste von Waldbesitzern im Jahr 2001 immer noch nicht.
4. Der Oberste Bayerische
Rechnungshof rügte 1993 die Belastung öffentlicher Kassen durch die
Jagdleidenschaft vieler hochkarätiger Beamter der Forstverwaltung am Beipiel
des obersten Chefs aller bayerischen Förster, Ministerialdirektor Otto Bauer,
der einen Hirsch "frei hatte". Da man derlei Jagdgäste nicht alleine
ins Revier lassen kann und da man ihnen nicht zumuten kann, die Verarbeitung
ihrer Beute selbst zu übernehmen, fielen folgende Kosten an:
64 Stunden Führung des Jagdgastes (in dessen Dienstzeit?)
3 Stunden Bergen des Hirsches
2 Stunden Begutachten und Fotographieren des Geweihes durch den Forstamtsleiter
4 Stunden Auskochen des Schädels durch den Berufsjäger
5 Stunden Liefern der Trophäe an den glücklichen Schützen über
193 km Dienstfahrt mit dem Auto.
Damit haben die Bürger das Tötungsbedürfnis ihres Ministerialdirektors nach
Abschätzung des Rechnungshofes mit 14.000 DM gefördert. Gefragt wurden sie
nicht, und nicht berücksichtigt bei der Berechnung war wohl der mindestens
64-stündige Arbeitszeitausfall dieser Spitzenkraft wegen der Jagd und der
Arbeitsausfall wegen der spannenden Erzählungen für die Kollegen an Hand der
eindrucksvollen Fotos. Auch hätte man den Abschuss des kapitalen
Trophäenträgers (des Hirsches), für 10.000 DM verkaufen können.
Allerdings würde sicher jeder treue Unterministerialdirektor die Geschichte
differenzierter sehen und geltend machen, dass doch damit einer jener
schadensträchtigen Hirsche für zwei Prozent seines Schadenspotentiales
beseitigt wurde, und dass der Herr Ministerialdirektor ohne Führung unter
Umständen 640 Stunden Pirschzeit gebraucht hätte, was den ganzen
Ministerialbetrieb glatt für 8 (acht) Monate lahm gelegt hätte. Oder - so
könnte er weiter argumentieren - wir bräuchten, wie man an dem Beispiel sieht,
eben zehn mal so viele Hirsche im bayerischen Bergwald, dann könte man die 64
Dienststunden für die jagdliche Führung von Ministerialdirektoren einsparen.
Man bräuchte dann nur noch eine Hilfskraft, die sicherstellt, dass solche
Waidmänner auch wieder den Weg aus dem Wald finden. Moderner Weise könnte man
diese Hilfskraft- eventuell zusammen mit der ganzen Jägerseilschaft - auch noch
outsourcen. Wie man aus dem Ministerium hört, spart das viel!
5. Andere Geschädigte, wie die Waldbesitzer Hinterstoißer und Seiwald im oberbayerischen Aufham oder Sigi Kaltenbach im Schwarzwald kämpften viele Jahre mit unglaublichem Aufwand um den Schutz ihres Eigentums. Hinterstoißer musste dafür durch alle Instanzen des deutschen Gerichtswesens und bekam dabei kaum Unterstützung vom Waldbesitzerverband, der wohl auch unter der Kontrolle der Hobbyjäger stand. Unterstützung gab es fast nur von Umweltschutzverbänden wie dem BUND.
6. Ein Beispiel aus dem Herbst 2004, das im jagdlich besonders brisanten Landkreis Miesbach spielt, soll in der Darstellung der Süddeutschen Zeitung vom 26.11.2004 zum Besten gegeben werden: Es geht dabei ganz besonders um den Stiel des Auseinandersetzung von Hobbyjägerseite und um die tausendfach vorgebrachte Lüge es gäbe kaum noch Rehe, Hirsche oder Gämsen. Entlarvend ist bei dem Schlammtransport auch die Tatsache, dass der Abschuss von 63 Gämsen durch Forstpersonal, zur Sanierung des Schutzwaldes, nach der Auffassung des auftretenden Hobbyjägerlobbyisten Konrad Esterl, „ein ganz brutaler Kill“ und ein „reines Gemetzel“ ist, während gleichzeitig - polemisch weit überhöht – von ihm angegeben wird, Hobbyjäger hätten für die Tötungen bis zu 40.000 Euro bezahlt, wenn man die Tätigkeit ihnen überlassen hätte. Seltsam ist doch oft des Waidmanns Heil. Abstoßend ist aber auch die Haltung des verantwortlichen Ministers, Josef Miller (CSU) der sich am 20.6.2004 bei diesen Hobbytötern anbiederte mit dem Satz „Die bayerischen Jägerinnen und Jäger erbringen unverzichtbare Leistungen für eine artenreiche Kulturlandschaft“ (Pressemitteilung 190 des Ministeriums) und der dann, wenn seine Beamten infolge konsequenter Pflichterfüllung, im Dreckhagel stehen, einen Ministeriumssprecher vorschickt. SZ-Artikel
Dies alles ist nach Auffassung des BUND im höchsten Maße skandalös, und es ist allerhöchste Zeit, daß sich die Dinge gründlich ändern. Dabei brauchen wir aber nicht den "Kleinen" auf die Decke rücken. Wir sollten uns nicht auf Knopf- und Perückenböcke einschießen, sondern uns ganz auf die kapitalen Hirsche und Böcke konzentrieren, denn nur das entspricht edlem deutschem Waidwerk. Auch dafür hat der Bayerische Oberste Rechnungshof bereits 1993 die Begründung geliefert, als er die "Kleinen" mit der Anmerkung schützte: "Die Beaufsichtigung nachgeordneter Behörden kann mit jagdlichen Interessen kollidieren." Das weiß jeder den es betreffen könnte, beim "Jagdschutz" wie beim "Waldschutz".