Referenzflächen im zertifizierten Wald von Helmut Klein (1999) "Die erkenntnistheoretischen Grundlagen, die wir auch Lehre vom Wald nennen, kann man nur im unberührten Wald - Urwald - oder in einem aufs neue sich selbst überlassenen Wald gewinnen." - "Allein die Beschäftigung mit dem unbewirtschafteten Wald ... führt zu einer anderen Waldgesinnung; sie lehrt uns erst richtig, den Wald als Ökosystem zu sehen, nicht nur als Summe von Bäumen." Diese beiden Zitate von Prof. Mlinsek (1978 + 1982), die die Ansicht fast aller renomierten Waldbau-Professoren wieder gibt, deckt sich mit unserer Auffassung. Die Realität in der praktischen Forstwirtschaft hat damit allerdings nur in seltenen Ausnahmefällen etwas zu tun. Aber NATURLAND- und FSC-Betriebe wollen und sollen ihre Waldbehandlung aus ökologischen und ökonomischen Gründen konsequent an den natürlichen Abläufen (Prozessen) orientieren, denn was sich von Natur aus auf Referenzflächen entwickelt ist am stabilsten, und was ökologisch stabil ist, ist auf lange Sicht auch ökonomisch am ertragreichsten. Deshalb orientieren wir uns an Referenzflächen, die "sich selbst überlassen" werden. Um diesem Zweck optimal dienen zu können, ist es nötig, daß solche Referenzflächen nach Bestandesstruktur und Standort möglichst gut mit den zugeordneten, bewirtschafteten Flächen vergleichbar sind. Es kommt also - im Gegenteil zu Naturschutzflächen - nicht darauf an, besonders seltene oder naturnahe Flächen auszuweisen, sondern die Referenzflächen sollen einen möglichst großen Teil des Wirtschaftsflächen möglichst gut repräsentieren. Nur dann kann ihre weitere Entwicklung Hinweise für die optimale Entwicklung der beernteten Bestände geben. Die Entwicklung der Referenzflächen zeichnet dann eine Art "Bezugslinie" für die naturnahe Entwicklung der Wirtschaftsflächen vor und der Waldbauer kann abschätzen inwiefern geplante Eingriffe auf den betroffenen Flächen zu Abweichen von der wirklich natürlichen Entwicklung führen würden oder geführt haben. Weil natürliche Prozesse nur auf großen Flächen ungestört ablaufen können, sollten die Referenzflächen möglichst groß sein. Dem steht aber das Interesse an möglichst viel geernteten Holz entgegen. Es muß also ein Zweckdienlicher Kompromiß zwischen diesen Zielen gefunden werden. Wir haben deshalb zunächst die Forderung nach 10 % der Holzbodenfläche übernommen. Dieser Flächenanteil wird seit vielen Jahren von über 40 Gruppierungen zum Umweltschutz, von vielen Wissenschaftlern und von einer ganzen Reihe von Behörden gefordert, ohne daß aus den Reihen der Waldbesitzer Widerspruch laut geworden wäre. Es gibt außerdem die begründete Ansicht, daß 20 ha arrondierter Fläche eine vertretbare Mindestfläche sind, auf der natürliche Walddynamik sichtbar werden kann. Sind die Flächen kleiner, stark gestreckt, gegliedert, zerstückelt oder übermäßig durch (Erholungs)Verkehr belastet, so sind die Randeffekte und Störungen so groß, daß das angestrebte Ziel nicht erreicht werden kann. Bei derart belasteten Nutzungsflächen wird auch die grundsätzlich erwünschte, weitgehende Renaturierung der Bestände gelegentlich zu Zielkonflikten mit der gesetzlichen Pflicht zur Verkehrswegesicherung führen. Solche Flächen dürfen deshalb aus der Bezugsfläche zur Berechnung der geforderten Referenzflächen genommen werden. Als Konsequenz aus diesen Vorgaben und Erkenntnissen leitet sich ab, daß nur für Waldkomplexe mit mehr als 200 ha Holzbodenfläche Referenzflächen gefordert werden, auch wenn dann die grundsätzlich erwünschten 10 % nicht erreicht werden. Fünf Prozent Referenzfläche sollten allerdings nicht unterschritten werden. Schließlich soll noch angemerkt werden, daß die angestrebte Waldnutzungsform in Kombination mit den naturbelassenen Referenzflächen, als wertvolle Nebeneffekte, Beiträge zur ökologischen Stabilisierung der Wälder, zur Verbesserung von Schutz- und Erholungsfunktion und zum Schutz von hunderten bedrohter Arten leisten. Prof. Otto formulierte zu diesem Gesichtspunkt 1997, ein solches System sei "eine sinnvolle Ergänzung und Vertiefung naturnaher Waldnutzung, ein Pool genetischen, artmäßigen und strukturellen Reichtums, der auch der Forstwirtschaft zugute kommt." |