Presseinformation zum
Waldschadensbericht 2003

 

Waldschäden erneut gestiegen und

weitere Zunahme zu erwarten

 

Obwohl der Ausstoß pflanzengiftiger Gase und Schwermetalle in den vergangenen 20 Jahren durch Industriezusammenbrüche im Osten und gesetzliche Maßnahmen in Gesamtdeutschland  drastisch zurückgegangen ist, kann sich der Wald noch nicht erholen. Für die Zunahme von viereinhalb Prozent über alle Schadstufen und von zwei Prozent bei den schweren Schäden hat mindestens fünf plausible Ursachen:

 

Die erste Ursache ist das erneute Auftreten eines extrem trockenheißer Sommers in diesem Jahr, wie anfangs der achtziger und der neunziger Jahre. Beide Male ergab sich ein Anstieg der Schäden über mehrere Jahre. Solche Bedingungen führen zu schwerem Wassermangel bei den Waldbäumen, und das wiederum verstärkt den Stress der Bäume, der seinerseits ihre Empfindlichkeit für Luftschadstoffe erhöht. Aber umgekehrt steigert auch der Schadstoffstress die Empfindlichkeit gegen Trockenheit.

 

Die zweite Ursache ist die Tatsache, dass die Ozonbelastung der Wälder in weiten Teilen der Republik noch immer die Kritischen Werte überschreiten. Dieses Ozon entsteht aus Stickoxiden, deren Emissionen aus dem Verkehr Dank einer verheerenden Verkehrspolitik nur geringfügig zurückgingen. Dieser Rückgang wurde aber durch die überdurchschnittliche Sonnenscheindauer kompensiert, denn das Kurzwellige Sonnenlicht treibt die chemische Reaktionskette, die zur Entstehung von Ozon aus Stickoxiden führt.

 

Bezüglich dieser Verkehrspolitik ist nach Ansicht des Waldpolitischen Sprechers des BUND, Helmut Klein, in Zukunft die moralische und politische Schuldfrage vermehrt zu diskutieren und das internationale Umwelt-Strafrecht zu entwickeln.

 

Die dritte Ursache ist die seit der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts hundertfach erforschte und vorhergesagte Folge überhöhten Säureeintrags in unsere Waldböden. Auch dieser Eintrag geht zwar seit 20 Jahren zurück, aber er war in den siebziger Jahren so exorbitant, dass er die Pufferkapazitäten der Böden Stufe für Stufe erschöpft hat. Die Folge ist, dass die meisten Waldböden auch den heute verminderten Eintrag nicht mehr neutralisieren können. Sie werden weiter zerstört, und die meisten Forstbehörden weisen alljährlich ohne politischen Nachdruck darauf hin und dokumentieren weiter.

 

Die vierte wichtige Ursache für den erneuten Anstieg der Schäden ist die seit fünfzehn Jahren angeprangert und im Detail erforscht wird, der unverträglich hohe Eintrag von Stickstoff aus landwirtschaftlicher Massentierhaltung. Die Wirkung ist eine drastische Störung des Bodenlebens und erhöhte Anfälligkeit der Bäume für Schädlinge. Hier vergiften „Pseudobauern“ die Wälder von Bauern und die Gesellschaft zahlt die ganze Misere samt der Not der geschundenen Tiere. Der BUND fordert alle Mandatsträger erneut auf, sich endlich aus dem Einfluss der Massentierhalter zu lösen.

 

Schließlich ist das fünfte Problem, dass der heißtrockene Sommer die Vermehrung des Buchdruckers – eines Borkenkäfers – begünstigt und die ohnehin durch Luftschadstoffe verminderte Abwehr der Fichte gegen diese Insekten weiter schwächt. Das Ergebnis sind zahllose absterbende Fichten, die nicht in der hier vorgelegten Statistik erscheinen.

 

Grundsätzlich hat sich also an den Ursachen und dem Verlauf der Waldschäden nichts geändert, seit Professor Peter Schütt 1981 auf einer ersten Pressefahrt des BUND-Bayern den Journalisten erklärte: „Die Bäume befinden sich infolge jahrelanger Umweltbelastung  in einem Stresszustand und sind deshalb nicht mehr voll in der Lage,  den Angriffen von Krankheitserregern und tierischen Schädlingen zu wiederstehen.

 

Politisch hoch brisant ist zur Zeit die Frage, nach Zusammenhängen zwischen der völlig unverantwortlichen Forstpolitik einiger Bundesländer - allen voran Bayern und Baden Württemberg - die ihre Forstwirtschaft explizite kommerzialisieren und aus der Verantwortung der Länder aussondern. Neben den geringen erwarteten Einnahmen dürfte die berechtigte Befürchtung eine Rolle spielen, dass auf diesem Weg die gehasste alljährliche Erhebung der Waldschäden hinter den „berechtigten Interessen eines Wirtschaftsunternehmens“ zurückzustehen hat. Wie dringend manche Politiker oder Parteien dieses wertvollste aller Monitoringprogramme, das seit 15 Jahren in über 30 europäischen Ländern einigermaßen vergleichbar läuft, abschaffen wollen, demonstriert in diesem Jahr erneut Hessen, das von sich aus keine Daten veröffentlicht, die mit denen der anderen Länder Ländern vergleichbar sind.

 

Insgesamt ist also der Zustand des deutschen Waldes erneut schlechter geworden und eine weitere Verschlechterung in den kommenden Jahren wird auch von den meisten Forstbehörden und von vielen unabhängigen Wissenschaftlern erwartet. Gleichzeitig aber bereiten die vorrangig für diese Entwicklung verantwortlichen Politiker und hochrangigen Beamten konsequent ihre Absicherung gegen mögliche Schuldzuweisungen vor. „Diese immer noch reiche Nation finanziert weiter ihre Verarmung und ihre Zerstörer“ beschreibt Klein den übergeordneten Prozess, „aber der BUND werde nicht aufhören, die Verantwortlichen den betroffenen Bürgern bekannt zu machen und auf Konsequenzen hinzuwirken.“

 

10.12.2003   Dr. Helmut Klein
Waldpolitischer Sprecher des BUND

WWW.WaldKlein.de