Presseinformation zum
Waldschadensbericht 2004

 

Der Wald im Satansreigen der Umweltgifte

 

Wie schon 2003 von allen verantwortungsbewussten Fachleuten und Verwaltungen und vom BUND dargelegt, war 2004 eine drastische Zunahme der Immissionsschäden am Wald zu erwarten. Tatsächlich stieg der Anteil geschädigter Bäume von 69 auf 72 Prozent. Die schweren Schäden (über 25 % Entlaubung/Entnadelung) stiegen von 23 auf 31 Prozent. Beides sind die höchsten Werte die je erhoben wurden, obwohl sehr viele Bäume ganz ausgefallen und aus der Statistik gefallen sind. Besonders dramatisch sind die Schäden aller Stufen an Buchen und Eichen mit 86 beziehungsweise 83 %. Aber auch die Fichte, Lieblingsbaumart der Holzhändler, zeigt mit 74 % Schadensanteil mehr Probleme als Hoffnungen. Am krassesten stellt sich die Situation dar, wenn man nur die schweren Schäden der halbwegs erwachsenen - über 60-jährigen - Bäume betrachtet. Betroffen sind davon bei der Buche 65, bei der Eiche 51 und bei der Fichte 50 Prozent.

 

Unsere Wälder waren vorher schon über Jahrzehnte gestresst durch unmittelbare Schadstoffwirkungen und durch Bodenzerstörung durch Säuren-, Schwermetall- und Stickstoffeinträge. Zahlreiche, mit Steuergeldern finanzierte Forschungsprojekte hatten dazu exzellente Erkenntnisse erbracht.

 

Im Jahr 2003 bewirkte dann eine Kombination belastender Umweltfaktoren (Trockenheit, Hitze, starke Sonnenstrahlung), die mindestens teilweise dem emissionsbedingten Treibhauseffekt zuzuschreiben waren, zusammen mit den üblichen Schadstoffkonzentrationen in der Luft Ozonbelastungen, die zwischen Mai und September fast täglich über 100, oft weit über 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft lagen. Damit übertrafen sie den kritischen Wert für Wälder extrem, denn dieser liegt für so lange Belastungszeiträume unter 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die Grenzwerte zum Schutz der Menschen liegen in Deutschland (unverantwortlicher Weise) für kurze Belastungen bei 180 Mikrogramm (Warnstufe) beziehungsweise 240 Mikrogramm (Eingriffsstufe). Sie sind für den Wald sinnlos. Diese vorjährigen Belastungen bewirkten dann an vielen Bäumen auch noch exzessive Notblüten mit Samenbildung, die die Bäume zusätzlich belasteten. An der Buche war dies allenthalben zu sehen.

 

Schließlich begünstigten die Wetterverhältnisse der letzten Jahrzehnte auch noch ein Dutzend verschiedene Heere von Insekten und wohl auch Pilzen, die von Bäumen leben (mehrere Borkenkäferarten, Prachtkäfer, Maikäfer, Schwammspinner, Frostspanner, Pflanzenläuse und Phytophthorara-Pilze). 2003 entwickelten diese Heere dann ein Wachstum, das zu Bestandesschäden führte. Der Wald hatte noch eine Belastung mehr. So kam der Wald in sehr schlechtem Zustand in den Winter und in das Jahr 2004, in dem zwar die klimatischen Stressfaktoren moderat waren, in dem aber immer noch die alten, schlechten Bodenverhältnisse und die durchschnittlich überhöhten Schadstoffeinwirkungen vorhanden waren.

 

Ein Ansatz zu einer Problemlösung ist nur denkbar, wenn fünf Bedingungen erfüllt sind:

 

1. Die Bürger müssen wesentlich ehrlicher über Entwicklung und Zustand des Waldes informiert werden, als es während der letzten zwei Jahrzehnte der Fall war. Ein positiver Trend hierzu scheint sich seit 2003 abzuzeichnen. Die Darstellung der Zusammenhänge zwischen meteorologischen, biotischen und toxikologischen Faktoren werden wahrheitsgemäßer dargestellt. Die Zahlentricksereien mit den ausgeschiedenen Stichprobenbäumen scheinen zu unterbleiben.

 

Drei weitere Dinge sind aber nötig: (1) Die Ausgeschiedenen müssen mindestens am Ende des Ausscheidensintervalls als tot protokolliert und dargestellt werden. (2) Die Anzahl und Gesamtfläche der entstehenden/entstandenen Kahlflächen ist zu erheben und auszuweisen. (3) Alle Bundesländer müssen gezwungen werden Daten zu liefern, die mit den früheren Darstellungen und den neuen Darstellungen der anderen Bundesländer vergleichbar sind. Hier spielt das Land Hessen eine skandalöse Rolle. Hessen veröffentlicht, mit einer Ausnahme, nur noch den sogenannten mittleren Nadel-/Blattverlust. Dieser ist zwar ein brauchbares Maß für die Schäden, aber er erlaubt keine Vergleiche mit den älteren Daten Hessens und aller anderen Bundesländern und Nationen. Es geht dabei offensichtlich um Bürgertäuschung, denn die Daten liegen vor, werden aber den Bürgern vorenthalten.

 

2. Eine neue vollständige Abschätzung der eingetretenen und zu erwartenden volkswirtschaftlichen Kosten des Waldsterbens muss erarbeitet werden. Ohne eine solche Grundlage sind vertretbare Abwägungen konkurrierender politischer Bestrebungen unmöglich und Fehlentscheidungen fast sicher.

 

3. Im Auftrag der dann informierten, mündigen Bürger müssen alle Mandatsträger gemeinsam weitere, noch rigidere Maßnahmen zur Minderung der Schadstoffemissionen durchsetzen. Dabei geht es sowohl um alle bekannten Treibhausgase als auch um die klassischen Schadstoffe auf der Basis von Schwefel und Chlor, um Schwermetalle und Stickstoffverbindungen. Auch hier gibt es Erfolge, besonders bei Schwermetallen, Schwefel und Chlor, aber weiterhin dringenden Handlungsbedarf bei den Stickstoffverbindungen.

 

Die Verbesserungen beim Pkw-Verkehr sind völlig unzureichend. Die Brummis vergiften Wald und Menschen weiter zunehmend und weitgehend ungerügt. Die konventionelle Intensivlandwirtschaft hat ihre Ammoniak-Emissionen nur geringfügig abgesenkt. Hier sollte die „neue Agrarpolitik“ noch sehr viel rascher vorangetrieben werden als geplant. Auch die speziellen Ziele für die Minderung der Ammoniakemissionen sind völlig unzureichend. Die leidigen Kosten für diese Maßnahmen sind allein am Wald längst als Schäden angefallen, und diese Entwicklung setzt sich fort.

 

4. Die eingeleiteten Arbeiten an einem neuen Waldgesetz und Jagdgesetz müssen dringend zügig vorangetrieben werden, denn diese Waldschadensbilanz hat erneut unterstrichen, dass die Waldnutzung möglichst rasch und so weit als möglich ökologisiert werden muss, so dass die Bestände stabiler werden. Dann könnten die Massenemittenten zu ihrer Entlastung auch nicht länger zu Ihrer Entlastung auf forstliche Fehler hinweisen. Das ist eben heute der Preis dafür, dass die Gesellschaft in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren nicht bereit war konsequente Schadensvermeidung zu treffen. Sie verweigerte ihre Verantwortung zu Lasten der heute steuerzahlenden Generation.

In diesem Zusammenhang hat auch eine rationale Novellierung des Bundes-Jagd-Gesetzes ganz besondere Bedeutung. Die gravierenden Probleme zwischen Hobbyjagd und Waldschutz beziehen sich überwiegend auf die Überhege von Rehen, Hirscharten, Mufflons und Gämsen, im Interesse bequemer Hobbyjagden relativ weniger, aber einflussreicher Zeitgenossen. Auch in diesem Fall, in dem es nur um Emotionen und persönliche Neigungen geht, häufen wir weitere Milliardenhypotheken auf die Schultern unserer Kinder. Ein Staatssystem, das so handelt beseitigt sich wissend selbst.

 

5. Die Gesellschaft muss sich konsequent darauf vorbereiten, dass eines Tages die Schuldfrage am Waldsterben und den Folgeschäden gerichtlich geklärt werden muss.