Hintergrundinformationen zur BUND-Pressekonfernz zu 2007

am 30.1.2008 in Berlin

 

Waldschäden immer noch auf sehr hohem Niveau
und die Verantwortlichen schönen und wiegeln ab

 Seit Jahren befinden sich die Waldschäden in Deutschland auf sehr hohem Niveau. Lediglich regenreiche Sommer verschaffen dem kranken Wald gelegentlich eine „Atempause“. Auch für 2007 belegen die stattlichen Erhebungen der Waldschäden dass 70 Prozent der noch draußen stehenden Waldbäume sichtbar geschädigt sind. Ein Viertel der Bäume (25%) ist so stark geschädigt, dass auch nach den konservativen offiziellen Kriterien starke Schäden aufweisen.

 Gewertet werden dabei nur Bäume, die noch stehen. Auch abgebrochene Gipfel oder ganze Kronenteile werden nicht bewertet. 

Besonders Eindrucksvoll ist in diesem Zusammenhang der hessische Bericht. Dort erfährt man, dass in diesem Bundesland 700 Quadratkilometer, oder knapp ein Drittel der Probebäume zu 90 % in den Nadelbaumforsten Forst geworfen oder gebrochen wurden, dann geht es aber weiter:

 „Nach den objektiven Vorgaben der Waldzustandserhebung erfolgte der Ersatz der ausgefallenen Bäume indem die unmittelbar nächststehenden Bäume in die Stichprobe aufgenommen wurden. Acht Fichtenplots wurden komplett geworfen. Auf diesen Flächen erfolgte 2007 keine Waldzustandserfassung.“

Zur gesamten Anzahl der Plots wird angegeben
„Derzeit gehören 139 Erhebungspunkte zum Stichprobenkollektiv“
Da man aber nicht erfährt ob „derzeit“ vor oder nach dem Sturm bezeichnet, kann man nicht einmal ausrechnen, wie groß der Anteil ausgefallener Plots ist.

Sicher ist allerdings, dass man in der Statistik alleine auf Grund der unmittelbaren Wirkung von Kyrill „knapp ein Drittel“ tote Bäume finden müsste. Angegeben wird, dass in der Gruppe ‚25 % entnadelt bis tot’ für die Fichte 30 % und für alle Baumarten zusammen 36 % angegeben werden. Der Sturm hat also den Waldzustand „statistisch“ erheblich verbessert, denn die geschädigten Bäume fallen auch noch zuerst! 

Dies haben Forstpolitiker wie der zuständige Minister Eckardt Uhlenberg aus NRW durchaus richtig verstanden: Wenn sie Bürger und Förster motivieren möglichst viele Bäume zu „nutzen“, bewirken sie auch eine „positive“ Veränderung der Waldschadensstatistik, weil dabei kranke und tote Bäume bevorzugt werden. Eine Täuschung der Bürger bleibt es aber doch, denn ihm sind diese Zusammenhänge und ihr Ausmaß in der Regel nicht bekannt und der Wald wird schütterer und damit noch anfälliger.

Solche Machenschaften gefährden die demokratischen Prozesse zur Beseitigung der Ursachen und belasten unsere Nachkommen mit den Folgen samt „Zins und Zinseszins“. Sie müssen – nachdem sie Der BUND und Andere seit 25 Jahren anprangern - endlich abgestellt werden.

Die „klassischen“ Ursachen des Waldsterbens
werden zunehmend verharmlost und/oder totgeschwiegen

 Seit der Einführung des Begriffs „Waldsterben“ durch Professor Leibundgut von der ETH-Zürich 1954 (siehe Anlage!) ist es fachlich unbestritten, dass es sich um eine Komplexkrankheit handelt, deren Teilursachen vielfältig vernetzt sind.

Die Wirkung erfolgt entweder direkt durch giftige Gase (z.B. Ammoniak, Stickoxide, Schwefeldioxid).

Andere Gifte (z.B. Ozon), entstehen aus emittierten Gasen (Sickoxide) unter Förderung durch weitere Stoffe (z.B. Tausende katalytisch wirkender Kohlenwasserstoffe) bei Energiezufuhr durch direkte Sonnenstrahlung.
Die meisten Pflanzen leiden bereits bei Ozonkonzentrationen von 40 – 50 Mikrogramm (tausendstel Gramm) pro Kubikmeter Luft.

Die massenhaft gemessenen und in einigen Waldzustandsberichten der Länder veröffentlichten Ozonkonzentrationen liegen in der Vegetationszeit fast dauernd über diesen kritischen Werten und erreichen dann an sonnigen Tagen oft Werte über 300 Mikrogramm.

 Beispielsweise enthält der hessische Bericht zwar keine angaben über Grenzwerte für Ozon, aber man erfährt, dass es 2006 (!) an verschiedenen Waldmessstationen Jahresmittelwerte von 64, 67 und 68 Mikrogramm pro Kubikmeter gegeben hat. Es folgt der beziehungslose Satz: „Das erste Halbjahr 2007 kann hinsichtlich der Ozonbelastung als durchschnittlich bezeichnet werden“. Danach wird noch für Witzenhausen im April 2007 über einen Monatsmittelwert (!) von 97 Mikrogramm berichtet. Der Wert sei aber wieder zurück gegangen!

Viele Luftschadstoffe wirken indirekt durch bodenversauernde, oder übermäßig düngende Substanzen. Einmal eingetretene Wirkungen dieser Art werden meist nur sehr langsam Repariert. Auch diese Wirkungen werden in allen Berichten heruntergespielt oder verschwiegen. Wie diese Informationsstrategie zu bewerten ist, erhellt ein Zitat aus dem jüngst vorgelegten EU-weiten Waldzustandsbericht der Europäischen Kommission:

Therefore, emissions of nitrogen compounds have become relatively more important and will continue to threaten ecosystem function and stability. This fact, and the acidity already accumulated in forest soils, will continue to stress forest ecosystems.Dynamic model results show that recovery from pollutant stress will often be very slow and may sometimes even require one hundred years.

[Deshalb stieg die relative Bedeutung der Stickstoffverbindungen und sie werden die Funktion und Stabilität des Ökosystems weiter bedrohen Dies und die in den Waldböden bereits angesammelte Säure wird die Waldökosysteme weiterhin stressen. Die Ergebnisse dynamischer Modellrechnungen zeigen, dass die Erholung der Böden vom Schadstoffstress in vielen Fällen sehr lange dauern wird. In manchen Fällen kann dies hundert Jahre dauern.]

Ein „besonderes“ Beispiel aus dieser Gruppe der indirekt wirkenden Gase sind auch die anthropogenen Treibhausgase. Sie verändern alle denkbaren Durchschnitts-, Höchst- und Tiefsttemperaturen, Die Mengen und Verteilungen aller Niederschlagsparameter und die Stärke und Häufigkeit von Stürmen. Fast alle diese Veränderungen stellen für ein bisher angepasstes Ökosystem zusätzliche Belastungen, bis hin zu waldzerstörenden Stürmen, dar.

Damit ist es richtig, dass allgemein das veränderte Klima als Ursache des Waldsterbens angegeben wird. Korrekt wäre allerdings eine Darstellung, welche die anthropogenen Treibhausgase als weitere bedeutende Komponente der Luftverschmutzung darstellt, gegen die auch im Interesse der Walderhaltung angegangen werden muss.

Tatsächlich aber findet dies nicht statt, weil die PR-Arbeit aller großen Forstlobbyisten – und dazu zählen die deutschen „Waldministerien“ – den Holzverkauf zwecks Klimaschutz, als ein Hauptargument ihrer Marketingarbeit betrachtet.

Hessens Umweltminister Wilhelm Dietzel behauptet, dass die meisten Wälder nicht den Eindruck hinterließen, als seien sie krank. Er sieht in den  gestiegenen Wachstumsleistungen der Bäume einen Nachweis für eine „besonders nachhaltige Waldbewirtschaftung“ und zeigt sich zuversichtlich, was die Vitalität der Wälder anbelangt. (1)

Bayerns Landwirtschaftsminister Josef Miller erwähnt in seinem Vorwort zum Waldbericht die Luftschadstoffe mit keinem einzigen Wort, und betont stattdessen den großen Einfluss, den Klimawandel, Borkenkäfern und Stürmen auf den Zustand des Waldes haben. (2)

Sachsens Umweltminister Prof. Dr. Roland Wöller geht in seinem Vorwort noch weiter: „Die enormen Schwefeldioxidemissionen im vergangenen Jahrhundert hatten anthropogene Ursachen mit regionaler Auswirkung und konnten durch technische Maßnahmen auf ein Minimum reduziert werden.“ Er betont, dass es heute grundsätzlich neue Ursachen gebe und spricht dann nur noch von Wetterextremen und dem Klimawandel. (3) Die hohen Emissionen an Stickstoffverbindungen und anderen Luftschadstoffen werden erst im Bericht genannt. Eine Forderung nach Verringerung der Luftverschmutzung sucht man vergebens. Aber eine großflächige Kalkung der Waldböden wird als Gegenmaßnahme genannt. Ihre Nebenwirkungen werden verschwiegen.

Ähnliche Maßnahmen empfiehlt Baden-Württembergs zuständiger Minister Peter Hauk. Durchschnittlich 14.000 Hektar Waldfläche werden dort pro Jahr gekalkt, um die hohen Säureeinträge etwas abzupuffern. (4) Immerhin wird im Bericht zugegeben, dass die Wirkung dieser Kalkung nach 15 Jahren nachläßt. Deutlich wird, dass diese Maßnahme bei einer Gesamtwaldfläche von 1,36 Millionen Hektaren zu kurz greift.

Bei den empfohlenen Gegenmaßnahmen zeichnet sich ein Trend hin zur Verstärkung des Holzeinschlages ab. In Baden-Württemberg wird eine intensivere Durchforstung empfohlen. Die Vitalität der Bäume steige durch eine intensivere Waldflege und führe zu Bäumen mit größeren Kronen (5). Dies widerspricht allerdings der Aussage im Bericht, nachdem freigestellte Bäume gegen Stürme und Einstrahlung anfälliger sind und dicht stehende Waldbestände geringere Blattverluste erleiden. (6)

Eine ähnliche Analyse findet sich in der Rede von Nordrhein-Westfalens Umweltminister Eckardt Uhlenberg (7). „Den Laubhölzern dagegen geht es in diesem Jahr schlechter als noch im Vorjahr. Sowohl bei der Buche als auch bei der Eiche haben die Schäden zugenommen. 43 Prozent der Eichen weisen deutliche Schäden auf, das sind 11 Prozent mehr als noch 2006. Das liegt unter anderem am Befall durch Insekten, vor allem durch Raupen, die die Bäume schon seit einigen Jahren schwächen. Zugleich gehen wir davon aus, dass starke sturmbedingte Baumbewegungen während des Orkans Kyrill das Feinwurzelsystem der Eichen geschädigt haben. Bei der Buche stieg der Anteil der deutlich geschädigten Bäume von 34 auf 42 Prozent, auch hier sind in diesem Jahr vor allem Insekten, in diesem Fall ein Käfer mit Namen Buchen­spring­rüssler für den schlechten Gesundheitszustand der Bäume verantwortlich.“

Der Trend, den Einfluss der Luftschadstoffe zu verharmlosen, und sich von der Berichterstattung über die Waldschäden zu verabschieden, zeigt sich am treffendsten im Vorwort zum Forstbericht (sic!) des Thüringer Landwirtschaftsministers Dr. Volker Sklenar. Das Thema wird nur noch im vorletzten von sieben Absätzen gestreift: „Bei allen Anstrengungen der Waldeigentümer können klimatische Veränderungen, Witterungsextreme, forstliche Schädlinge und anthropogene Stoffeinträge unsere Wälder nachhaltig beeinträchtigen.“ (8)

Bei einer Bilanz von 42 Prozent sichtbar schwach geschädigter und 35 Prozent sichtbar stark geschädigter Waldbäume muss man von „gefährlicher Verharmlosung“ sprechen!

(1) Vorwort des Ministers, Waldzustandsbericht 2007 Hessen, Seite 2
(2) Vorwort des Ministers, Waldzustandsbericht 2007 Bayern, Seite 5-6
(3) Vorwort des Ministers, Waldzustandsbericht 2007 Sachsen, Seite 1
(4) Vorwort des Ministers, Waldzustandsbericht 2007 Baden-Württemberg, Seite 3-4
(5) Pressemitteilung Ministerium Ländlicher Raum B-W) Nr. 393/2007 vom 27. 11. 2007
(6) Waldzustandsbericht 2007 Baden-Württemberg, Seite 21
(7) Pressekonferenz am 19.11.2007 im Düsseldorfer Landtag
(8) Vorwort des Ministers, Forstbericht 2007 Thüringen, Seite 3-4